«Das werden wir schon sehen…»: Freiburg und Emmendingen

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In Berlin (um diese Zeit war seine Mutter bereits aus dem Krankenhaus entlassen worden) studierte Klaus wieder und erlernte neue Berufe: Tischler, M?belverk?ufer, Architekt. 1964 siedelte Teschemacher in die s?dbadische Stadt L?rrach um, wo er bei einem M?belvertriebsunternehmen t?tig war. Dort heiratete er, aber seine Frau verstarb 1970 und hinterlie? ihm zwei S?hne. 1971 musste er sich auch von seiner Mutter verabschieden.

1972 setzte Teschemacher sein Studium fort – zuerst in Freiburg, in der p?dagogischen Hochschule (Theologie, Soziologie und Psychologie), dann an der Universit?t T?bingen (Sonderp?dagogik, d. h. die Kunst, kranke und behinderte Kinder zu lehren, und Judaistik). Die letzten Semester verbrachte er in Jerusalem (Holocaust-Studien) und dann wieder in Freiburg (Geschichte und V?lkerkunde).

1979 siedelte Klaus nach Emmendingen um, wo er bis 1996 an einer Schule in mehreren F?chern Unterricht erteilte. Hier, in Emmendingen, heiratet er wieder, Klaus und Uta bekommen eine Tochter.

Seit 1972 ist Klaus Teschemacher mit der Israelitischen Gemeinde Freiburg verbunden. Damals z?hlte die Gemeinde um die 200 Mitglieder, u.a. einige derjenigen, die diese Gemeinde 1945 neu gr?ndeten. Alle sieben Wochen wurden sie vom liberalen Rabbiner Levinson besucht, der sieben badische Gemeinden betreute. Der Oberkantor Blumberg erschien h?ufiger – alle zwei Wochen. Wenn er fehlte, trat Schnurrmann vor die Tora: er sang und las aus der Tora vortrefflich vor. Jedes Mal herrschte aber Unsicherheit dar?ber, ob am Schabbat ein Minjan anwesend sein wird. Deswegen waren die Voraussetzung zur Mitgliedschaft in der Gemeinde nicht so streng – sowohl f?r M?nner als auch f?r Frauen. Sonst w?rde sicher nie ein Minjan zusammenkommen.

1977 zeigte Altmann, der damalige Vorsitzende der Freiburger Gemeinde, Klaus das Modell der neuen Synagoge. Sie hatte unglaubliche 120 Pl?tze! Teschemacher konnte sich das Lachen nicht verkneifen. «Das werden wir schon sehen», erwiderte der alte Altmann mit einem L?cheln.

Das neue Synagogengeb?ude wurde 1987 er?ffnet. Im Gebetssaal versammelten sich alle Obrigkeiten: der Oberb?rgermeister, christliche Geistliche, Vertreter diverser Gesellschaften. Juden waren durch h?chstens zwei bis drei Personen vertreten: den Landesrabbiner, den Oberkantor. Die restlichen Juden (unter ihnen auch der Assistent von Heinz Galinski) wurden im Sitzungssaal (jetzt Gertrud-Luckner-Saal) untergebracht, wo das Geschehen live ausgestrahlt wurde. Klaus war dar?ber so ver?rgert, dass er hatte sogar vor, aus der Gemeinde auszutreten!

Das Synagogengeb?ude war wirklich gro? und sch?n, nur wirkte es als ein Mausoleum, denn abgesehen vom Schabbat wurde es lediglich einmal w?chentlich f?r die Vorstandssitzungen um 45 Minuten genutzt. Das war alles! Dann meinte Teschemachers Frau zu ihm: «Meckere nicht herum, mache etwas, damit es anders wird!» Danach trat Teschemacher bei der Vorstandswahl an und gewann sie. In den Vorstand gew?hlt wurden au?er ihm Frau Soussan, die Frau des Rabbiners, und D-r Farrokpur. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Gemeinde immer noch ungef?hr 200 Mitglieder.

Die Vorstandswahl fand am 6. Dezember 1990 statt, und nach genau einer Woche – am 13. Dezember – erschien die Familie von Wadim Hersonski vor Klaus: Wadim selbst, seine Frau, der Sohn und die Tochter. In Moskau haben sie einen Austauschsch?ler aus L?rrach aufgenommen und boten sich dann alle f?r einen Gegenbesuch an. Nun sind sie hier und wollen nicht zur?ck in die UdSSR, wo Antisemitismus und Vorpogromstimmungen angeheizt werden.

Und dann ging es los – eine Familie nach der anderen: Ingenieure, Lehrer, Buchhalter – alle m?glichen Leute! Eines nach dem anderen f?llten die Juden Wohnheime in Freiburg und Umgebung (Kenzingen, Weil, Rheinfelden, Rheinweiler, Bad-Krozingen). Einem quellten damals nat?rlich fast die Augen aus den H?hlen, aber dank der Unterst?tzung durch die Stadtbeh?rden wurden nach und nach neue Wohnungen gefunden (die franz?sischen Kasernen wurden eben frei) und andere Fragen gekl?rt, vor allem Status– und Visafragen. Eine gro?e Hilfe war der Gemeindebus, mit dem alle Willigen zum Gebet, zum Einkaufen und zu den Stadt?mtern gebracht wurden.

F?r Teschemacher selbst bestand die Schwierigkeit darin, dass er bis 1996 die T?tigkeit in der Gemeinde mit der Arbeit an der Schule kombinierte. Der Arbeitstag dauerte nahezu rund um die Uhr!.. Allerdings war diese Arbeit inspiriert und gottgef?llig: nicht nur die soziale Arbeit, sondern auch das Kulturleben (Konzerte, Ausstellungen, Arbeitsgemeinschaften, Aufstockung der Bibliothek) in der Gemeinde wurden auf ein neues Niveau erhoben.

Selbstverst?ndlich war bei weitem nicht alles erfreulich. Einmal ging Klaus zusammen mit einer Familien in ein Lebensmittelgesch?ft und war ersch?ttert, als er sah, dass diese Leute Schweinewurst kauften. Das war ein traumatisches Erlebnis f?r ihn, aber dadurch begann er das Ph?nomen «sowjetische Juden» besser zu verstehen.

?brigens wurde die Kaschrut in der Gemeinde Freiburg streng genommen nicht eingehalten. Die n?chst gelegenen koscheren L?den befanden sich in Stra?burg und Basel und waren extrem teuer. Die Freiburger Gemeinde konnte sich koschere W?rstchen nur einmal im Jahr, zu Rosch Haschana, leisten. Aber sogar damit gab es Schwierigkeiten – einmal wollten die Schweizer Grenzbeamten die W?rstchen nicht ?ber die Grenze durchlassen. Man hat sie damals mit gro?en M?hen «verteidigt»…

Nicht nur Neuank?mmlinge, sondern auch Alteingesessene machten Teschemacher das Herz schwer. Viele von ihnen zischelten ?ber die Neulinge: «Sie kennen die Religion nicht. Sie beherrschen die Sprache nicht. Sie ?berfluten unser Land!..» Solchen Emp?rten rieb Teschemacher ihre eigene – von ihnen bereits vergessene – Migrantenvergangenheit gerne unter die Nase (selbst unter den alten Gemeindemitgliedern gab es nur wenige urans?ssige Freiburger Juden).

Probleme bereiteten auch die neuen Mitglieder: Einer von ihnen war besonders aktiv und schlug vor, f?r ihn bei den Wahlen zu stimmen und falls er gew?hlt wird, wird er jedem seinen W?hler 3500 DM geben (er war ?berzeugt, durch die Gemeinde sollen Millionen flie?en). Gew?hlt wurde er nicht, so suchte er sein Gl?ck woanders: Versicherungen.

Teschemacher lebte in Emmendingen und war im Vorstand der Gemeinde Freiburg zwei Legislaturperioden lang t?tig (in der zweiten Legislaturperiode hatte die Frau des Rabbiners den Vorsitzendenposten inne). Dann wurde es klar, dass in der Umgebung Bedarf nach weiteren Gemeinden bestand. 1995 wurden sie auch gegr?ndet – in L?rrach und in Emmendingen, wo Klaus lebte. Und dahin, nach Emmendingen, wo zu diesem Zeitpunkt bereits 80 Juden lebten, verlegte er den Fokus seiner M?hen und Sorgen. Er ist der eigentliche Gr?nder nicht nur der Gemeinde und der Synagoge, sondern auch des Vereins f?r j?dische Geschichte und Kultur Emmendingen und sogar des J?dischen Museums Emmendingen. Seine Frau Ute Teschemacher – auch eine Lehrerin, die 15 Jahre lang zur Gemeindevorsitzenden gew?hlt wurde – leistete ihm immer Beistand. Als sie sich beide im Mai 2010 aus ihrer T?tigkeit in der Gemeindeleitung verabschiedeten, z?hlte die Gemeinde schon 360 Mitglieder.

Klaus Teschemacher f?hrt heute immer noch gerne Besucher durch die Freiburger Synagoge und erinnert sich an ihre Geschichte, die er selbst mitgestaltet hatte.

Er selbst geh?rt nun mit aller Recht zur Geschichte der Gemeinde und darf das L?cheln und den Spruch «Das werden wir schon sehen!..» vom Altvorsitzenten Altman ?bernehmen.

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